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Im Gespräch mit Florian Ultsch, Hotelgruppe Familie Ultsch (Innsbruck/AT)

Online-Marketing 9 Minuten
Digitalisierung muss das Leben erleichtern, wenn sie das nicht tut, dann ist sie fehl am Platz.
Florian Ultsch hat ein Wirtschaftsstudium an der Universität Wien und spezialisierte Fortbildungen an der Cornell University in den USA absolviert und arbeitet seit 2016 im elterlichen Betrieb. Geschäftsführer der Hotelgruppe Familie Ultsch sind Vater Harald und Mutter Sonja-Sophie während Florian Ultsch als Director of Business Development tätig ist. Zu den Hotels der Familie gehören das Boutiquehotel Schwarzer Adler und das aDLERS Designhotel in Innsbruck sowie die stark expansive Hotelgruppe Harry’s Home mit Standorten in Wien, Graz, Linz, Dornbirn, München und Zürich, deren Schwerpunkte als Anbieter von Zimmern und Apartments bei den Themen “moderne Reisegewohnheiten” sowie "Wohnen auf Zeit" liegen.
Herr Ultsch, Ihre Familie führt mehrere Hotels und Marken: wofür stehen und worin unterscheiden sich diese und welche ist die Gesamtvision des Unternehmens?

Grundsätzlich sind wir eine traditionelle Hoteliers-Familie mit dem Schwarzen Adler in Innsbruck als Stammbetrieb, der seit 100 Jahren in Familienbesitz ist. Es handelt sich dabei um ein Boutiquehotel mit 500-jähriger Geschichte, welches derzeit in vierter, beziehungsweise mit meinem Bruder und mir in fünfter Generation geführt wird. Das Pendant dazu ist das Schwesterhotel aDLERS, ein Designhotel im “Headline Tower” in Innsbruck. Hier befindet man sich über den Dächern der Stadt und hat aus allen Zimmern Ausblick auf die umliegenden Berge, es gibt eine coole Rooftop Bar und viele Events und Clubbings - das moderne Gegenstück zum traditionellen Schwarzen Adler. Das Dritte sind die Harry's Home Hotels und da sind wir stark in der Expansion. Wir haben derzeit sechs Betriebe in Österreich, Deutschland und seit neuestem mit Zürich in der Schweiz. Was die Vision des Unternehmens angeht, wird die Expansion bei Harry’s Home Hotels sicher weitergehen. Wir haben in den nächsten drei bis vier Jahren zehn weitere Standorte in Planung und in Entstehung.
Wir betreiben alle drei Marken als Familie. Das Schöne daran ist, dass man dabei immer drei unterschiedliche Herausforderungen hat, zwischen denen man wechseln kann und die immer wieder etwas Neues bieten.   
Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie im Bereich Marketing / Online-Marketing & Kommunikation? Wird dieser Bereich zentral für das ganze Unternehmen abgewickelt?

Wir haben keine große Marketing-Maschinerie im Hintergrund und arbeiten in diesem Bereich recht effizient. Derzeit gibt es drei Mitarbeiter: Zwei Marketing-Manager, von denen einer für den Schwarzer Adler und das aDLERS zuständig ist und einer für Harry’s Home. Zudem gibt es einen Content-Manager. Wir sind sehr selektiv in unserer Strategie. In der Vergangenheit haben wir viel ausprobiert und waren breit aufgestellt, aber mittlerweile haben wir uns auf gewisse Methoden spezialisiert und fokussiert. 
Gibt es einen verantwortlichen Mitarbeiter für die digitale Strategie?

Im Endeffekt werden die Strategien immer im gesamten Team entwickelt und abgesprochen. Wir haben wöchentlich unsere Marketing-Meetings, die relativ intensiv sind und bei denen auch über Strategien gesprochen wird. Einen klassischen, digitalen Strategen gibt es nicht und jeder Marketing-Manager ist für die jeweilige Marke zuständig. Wir haben Allrounder bei uns, die PR, klassisches Marketing über Print sowie Online Marketing und Social Media beherrschen. Das ist gerade das Attraktive an dieser Arbeit, dass man dabei diese Abwechslung hat. 
Gerade im Bereich Social Media versuchen wir stark auf Emotionen zu setzen, weil die Leute auf die klassische Werbung nicht mehr anspringen.


In welche Richtung entwickelt sich das digitale Marketing / der digitale Vertrieb in Ihrem Unternehmen? Auf welche Online-Vertriebskanäle und Werbeplattformen bzw. -Partner bauen Sie dabei hauptsächlich (neben Ihrer Internetseiten)?
 
Gerade im Bereich Social Media versuchen wir stark auf Emotionen zu setzen, weil die Leute auf die klassische Werbung nicht mehr anspringen. Da geht es vor allem um Emotionen und Storys von Mitarbeitern und Gästen, die die Atmosphäre und besondere Augenblicke vermitteln. Wir wollen über Social Media ein Image aufbauen und sind bei Anzeigen und Werbung eher selektiv und arbeiten gerne mit Printmedien zusammen. Zudem sind wir vor allem in den Bereichen Newsletter, Internetseite und SEO (Suchmaschinenoptimierung) aktiv.
Gibt es eine Strategie zur Förderung von Direkt- & Online-Buchungen?

Je nach Standort entscheiden wir, mit gewissen Preisdifferenzen an den Markt zu gehen, wir wollen Vorteile bieten, wenn man über unsere Internetseiten bucht und versuchen das Ganze so einfach wie möglich zu gestalten. Das gesamte Revenue-Management ist bei uns stark digitalisiert und automatisiert und wir haben natürlich auch ein Revenue-Management-System, das uns unterstützt. Dabei sind wir sehr agil und ändern die Preise teilweise sogar stündlich.
Zudem haben wir jetzt ein neues Projekt in Angriff genommen: Wir werden unsere eigene Buchungsplattform für Harry’s Home entwickeln. Das Produkt ist so komplex und flexibel, dass es keinen Drittanbieter gibt, der es uns ermöglicht, das Produkt so an den Kunden zu bringen, wie wir das gerne hätten. Wir entwickeln diese Plattform nicht als Konkurrenz zu den OTAs (Online Travel Agencies), sondern als Alternative für jene, die einfach noch flexibler sein wollen. 
Sie sind mit Ihren Hotels auf Facebook und vor allem auf Instagram präsent und aktiv. Gibt es in der Social-Media-Kommunikation ein klare definierte Strategie?

Das entscheidet jeder Marketing-Manager eigenständig für die jeweilige Marke. So haben wir mehr Flexibilität und Heterogenität, denn wenn alles aus einem Guss käme, wäre das langweilig.
Entscheidend ist vor allem die Leistung vor Ort, das Produkt, sonst würden die Gäste nicht wiederkommen. Unser Fokus liegt dabei auf Bett, Bad und Komfort, also auf dem Praktischen am Zimmer. Wie ich schon erwähnt habe, stehen bei uns im Bereich Social-Media-Bereich das Image und die Emotionen im Vordergrund. Wir wollen nicht mit Werbung oder Aktionen überfordern oder nerven. Unsere Newsletter sind ebenfalls dementsprechend ausgerichtet, mit Storys und Events, wie zum Beispiel die Bregenzer Festspiele oder in München, wo es uns gelungen ist, ein Kontingent an Oktoberfest-Tischen zu bekommen. Mit Storys, Produkten und solchen Angeboten kommt man richtig gut an. 
Was bedeutet für Sie grundsätzlich “Digitalisierung” im Hotel? Welchen Chancen und Risiken sehen Sie?

Ich bin der Meinung, dass es in der Digitalisierung ein sehr großes Risiko gibt. Maß und Ziel ist hier der Schlüssel zum Erfolg, denn es gibt genug Beispiele, wie es übertrieben werden kann. Mein Lieblingsbeispiel bei Automatisierung und Digitalisierung ist der klassische Lichtschalter: Wenn ich als Gast im Hotelzimmer ein Tablet habe, um meine unterschiedlichen Lichtszenarien und Lichtfarben einzustellen, aber nicht mehr weiß, wie man das Licht ein- und ausschaltet, das ist für mich übertrieben. Der Gast - vor allem kurz nach dem Erwachen oder nach einer langen Anreise samt Jetlag - will einfach nur einen mechanischen Hebel um das Licht ein- und auszuschalten. Das andere ist eine Spielerei, die anstatt den Gast zu begeistern, das Gegenteil bewirkt. Man muss nicht in jedem Zimmer ein Tablet haben, denn es gibt genug Generationen oder Herkunftsländer, wo das noch nicht so verbreitet ist. Digitalisierung muss das Leben erleichtern, wenn sie das nicht tut, dann ist sie fehl am Platz. 
Wichtig ist, dass der gesamte Check-in Prozess vereinfacht wird, damit die Mitarbeiter wieder mehr Zeit für den Gast haben.
Wenn Sie sich eine digitale Lösung wünschen könnten, welche wäre es?

Am liebsten würde ich den Check-in vereinfachen und die europäische Bürokratisierung des Meldescheins digitalisieren. In Österreich gibt es gerade einen Umschwung, um den Meldeschein auf ein Tablet bringen und dort unterschreiben zu lassen. Früher hat man den Meldeschein immer ausdrucken, physisch unterschreiben lassen, ablegen und sieben Jahre lang aufbewahren müssen. Dass das nicht im Sinne der Umwelt und Nachhaltigkeit ist, ist klar. Wichtig ist, dass der gesamte Check-in Prozess vereinfacht wird, damit die Mitarbeiter wieder mehr Zeit für den Gast haben. 
Auf welchem Stand ist die “Digitalisierung” in den Hotels der Familie Ultsch und auf welche nächsten Schritte/Bereiche liegt kurz- bis mittelfristig der Fokus?

Wir haben eine “digitale Welle” hinter uns mit den neuen Internetseiten und sind jetzt in der Entwicklung der neuen Buchungsstrecke. Wir haben verschiedene Software, die die Mitarbeiter unterstützen, sowohl mit dem Revenue-Management-System als auch mit unterschiedlichsten Schnittstellen. In diesem Bereich sind wir sicher führend.
Zudem waren wir die Ersten in Österreich, die die Speisekarte auf dem Tablet hatten. 2013, als wir das aDLERS eröffnet haben, hat jeder Gast am Tisch oder an der Bar ein Tablet mit der gesamten Speise- und Getränkekarte bekommen. Wir haben jedoch von Anfang an bewusst nicht über das Tablet bestellen lassen, damit das Menschliche nicht verloren geht.
Es war ein großer Aufwand die Inhalte zu verwalten, aber es ist eine wirklich gute App. Trotzdem haben wir gemerkt, dass die Gäste immer noch gerne eine schöne Karte in der Hand haben und daher entschieden, von Komplett-Karte auf Weinkarte zu reduzieren. So kann man die Tablets nutzen, um Geschichten zu den Weinen zu erzählen und kann tiefer in die Materie einzutauchen. 
Wenn wir über neue herausragende Hotelkonzepte auf der Welt sprechen, welche Projekte fallen Ihnen dabei als erstes ein?

Für mich gibt es vier ausschlaggebende Konzepte: Moxy, Motel One, 25hours und citizenM. Die Motel One-Gruppe hat den Markt komplett verändert und ist jetzt wieder dabei das ursprüngliche Konzept weiterzuentwickeln. citizenM sind gerade im Bereich Social Media für mich marktführend. 
Bei Influencern sind wir selektiv und wählen lieber Mikro-Influencer als große Influencer, um unsere Zielgruppen besser zu erreichen.
Ist Influencer-Marketing ein Thema für Sie?

 Wir arbeiten viel mit Bloggern, Journalisten und Influencern zusammen. Bei Influencern sind wir selektiv und wählen lieber Mikro-Influencer als große Influencer, um unsere Zielgruppen besser zu erreichen. Für die Auswahl haben wir bestimmte Kennzahlen festgelegt und mittlerweile gibt es genug Anwendungen, die dabei helfen, die Reichweite zu prüfen.
Welche ehrgeizigen Projekte sind bis 2025 geplant?

Ich glaube das ehrgeizigste oder größte Projekt ist es, der schnellen Marktentwicklung standzuhalten. Es passiert monatlich etwas großes, ein Paukenschlag und da mitzuhalten ist eine der größten Herausforderungen. Vor allem in Richtung “next Generation”: Welche Einstellungen und Erwartungen hat die neue Generation, sei es als Gast sei es als Mitarbeiter? Zu dieser Entwicklung gibt es viele Theorien, Hypothesen, Ideen und Lösungen, aber wie es schlussendlich wirklich sein wird, werden wir erst sehen. Das sind die zwei großen Projekte neben den zehn bis fünfzehn Hoteleröffnungen, die wir bis dahin geplant haben. 
Gibt es eine Persönlichkeit aus dem Tourismus (oder gerne auch aus einem anderen Bereich), welche Sie schon immer einmal treffen wollten? Warum und was wäre Ihre zentrale Frage an diesen Menschen?

Elon Musk ist für mich ein moderner Visionär, wie es sonst nur wenige gibt. Man muss sich vorstellen, dass er als einzelner die gesamte Autoindustrie aufgeräumt hat. Ich bin ein großer Fan und bin gespannt, was da die nächsten Schritte sind. Meine Frage wäre zum einen, was er noch alles vor hat und zum anderen, was dann das Appartement am Mars kostet (lacht).