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Im Gespräch mit Dr. Michael Scheuch, Österreich Werbung

Online-Marketing 10 Minuten
Unser Erfolgsrezept ist die Kombination aus Konstanz und Lebendigkeit.

Dr. Michael Scheuch leitet seit 2010 den Bereich „Brand Management“ der Österreich Werbung. Dabei ist er für die internationale Markenführung, das internationale Content- und Kampagnenmanagement sowie für Strategie und Innovation in den digitalen Medien zuständig. Dieser Position gehen unter anderem Tätigkeiten als Strategie- und Marketing-Consultant bei der internationalen Unternehmensberatung Simon, Kucher & Partners sowie als Konzernleiter des Bereichs Werbung und Marketing im Einzelhandel voraus. Dr. Scheuch ist derzeit zudem als Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien und als Dozent an der FH Wien tätig.
Worin besteht Ihre Aufgabe bei der Österreich Werbung und wie groß ist das Team, welches Sie leiten?

Ich leite den Bereich Brand-Management, welcher aus drei Teams besteht. Eines davon ist für das Content-Management zuständig und beinhaltet unter anderem die Aufbereitung und Recherche von Inhalten zu verschiedenen Themen sowie die Bereitstellung des Contents für unsere Auslandsbüros. Ein weiteres Team kümmert sich um alle Aspekte der Markenführung, wie beispielsweise Markenrecht, Bilddatenbanken sowie Film- und Fotoproduktionen. Dann gibt es ein Team, das sich mit Innovation und Kampagnen beschäftigt, konkret mit allen marketingrelevanten Innovationsprojekten und mit den großen Image-Kampagnen. In Summe sind wir in der Österreich Werbung zweihundert Mitarbeiter, hundert davon arbeiten in Österreich und weitere hundert in den Büros im Ausland. 
Sie sind seit 8 Jahren verantwortlich für die Markenführung bei der Österreich Werbung. Ziehen Sie bitte einen Vergleich zwischen Markenführung in 2010 und Markenführung in 2018.

Die größte Veränderung besteht darin, dass die Kommunikationsmacht von Marken verloren gegangen ist und diese nur mehr ein Teil des Gesprächs mit den Verbrauchern sind. Früher haben die Marken das Gespräch dominiert und konnten somit bestimmen, welche Botschaften vermittelt wurden. Inzwischen haben die Zielgruppen viel mehr Möglichkeiten ihre eigene Meinung zu äußern, weshalb es umso wichtiger ist, die eigene Identität und die Werte, für die man als Destination steht, zu kennen. Man muss authentisch und eigenständig auftreten, das ist das Gesetz der Zeit, welches durch die technologische Entwicklungen angetrieben wird. 
Was macht die Marke “Urlaub in Österreich” so einzigartig, lebendig, und resilient?
 
Wir sind der festen Überzeugung, dass es zwei Erfolgsfaktoren für die Resilienz gibt. Zum einen handelt es sich dabei um die Konstanz in der inhaltlichen Markenführung. Es ist wichtig, sich ganz tief mit den eigenen Stärken auseinanderzusetzen, zu entscheiden welche authentischen Geschichten man über das Land erzählen will und diese über lange Zeit aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu präsentieren. Zum anderen spielt die Lebendigkeit eine bedeutende Rolle. Man sollte kulturraum- und marktspezifisch entscheiden, mit welchen Geschichten und Themen man die Sehnsüchte der Menschen vor Ort am besten weckt. Diese Kombination aus Konstanz und Lebendigkeit im permanenten Beleuchten der eigenen Stärken ist aus unserer Sicht das Erfolgsrezept für Resilienz. 
Die Österreich Werbung setzt auf drei große Themen bzw. Stärken: historisch gewachsene Kultur, Lebensgefühl und Gastgeberkultur.
Auf welche Themen und Stärken setzt die Österreich Werbung in der Markenführung?
 
Aus Sicht der Gäste gibt es drei Geschichten, die die Stärken Österreichs beschreiben. Diese drei Themen finden sich im ganzen Land wieder und wir nutzen sie in der Kommunikation, indem wir unterschiedliche Facetten davon aufzeigen. 
  • Österreich ist einerseits ein historisch gewachsenes, kulturelles Zentrum. Das zeigt sich unter anderem dadurch, dass das Bild, welches weltweit am stärksten mit Österreich assoziiert wird, der Wiener Musikvereinssaal ist. Österreich wird also mit dem Neujahrskonzert, der Philharmonie und klassischer Musik in Verbindung gebracht. Diese kulturelle Stärke durchzieht das ganze Land mit unterschiedlichen Prägungen und beinhaltet auch die Alltagskultur. 
  • Zudem wird Österreich als Land gesehen, das es versteht zu leben. Dies hat ebenso historische Gründe und findet seinen Ursprung in der Zeit des Vielvölkerstaates, als sich sehr viele Einflüsse aus Nord, West, Ost und Süd zu etwas typisch österreichischem vermischt haben. Die Gäste verbinden ihren Urlaub hier mit dem österreichischem Charme, der Lockerheit und einer eigenen Mentalität der Gastgeber und der Menschen vor Ort. Dies sind wichtige Kriterien, da die Gäste sich bei uns wohl fühlen, sehen, dass die Menschen verstehen zu leben und sich von diesem Lebensgefühl anstecken lassen.
  • Die dritte Stärke ist, dass wir eine lang gewachsene und sehr klein-betrieblich strukturierte Gastgeberkultur haben. Ein Großteil der Betriebe ist im Familienbesitz und wird in zweiter oder dritter Generation geführt. In Verbindung mit der typisch österreichischen Mentalität ergibt sich so eine hohe Gastgeber-Qualität, Gastfreundlichkeit und Offenheit. 
Gegen welche Klischees kämpft bzw. welcher Klischees bedient sich die Marke “Urlaub in Österreich”?
 
Es gibt Klischees, die oft historisch gewachsen sind und meist im Ausland stärker wahrgenommen werden, als im Inland. “The Sound of Music” ist beispielsweise so ein Phänomen, das eine hohe Bekanntheit in Asien, Großbritannien und Amerika hat, jedoch in Österreich fast unbekannt ist. Bei der Österreich Werbung spielen wir nicht mit den Klischees. Wir machen uns sehr genaue Gedanken darüber, was die Wahrheit hinter einem Klischee ist und was davon wirklich österreichisch ist. Mit diesem wahren Kern arbeiten wir dann, aber wir bedienen keine Klischees. 
Wie wird die Marke “Urlaub in Österreich” und deren Entwicklung monitoriert und gemessen? Welche KPIs kommen hierbei zum Einsatz?

Auf der obersten Ebene messen wir die Präferenz für Urlaub in Österreich innerhalb der Zielgruppen in den einzelnen Ländern. Präferenz bedeutet in diesem Fall, dass Österreich unter den Top drei Destinationen für den nächsten Haupturlaub ist. Dies ist unser härtestes Kriterium, wofür wir repräsentative Stichproben mit mindestens 1.000 Befragten pro Markt durchführen. Auf den darunterliegenden Ebenen bewerten wir zudem die Qualität und Aktualität des Contents und wir beobachten, wie die Themen bei den Gästen und in der Branche selbst ankommen. Es gibt dabei verschiedenste Indikatoren, die wir messen. Die Qualität des Contents kann beispielsweise technisch ermittelt werden, indem man feststellt, wie die User reagieren, wie hoch das Engagement ist und wie lange die Nutzer bei den Inhalten verweilen. 
Wie werden Markenführung, Kommunikation und Maßnahmen der Österreich Werbung mit den Marktteilnehmern (Bundesländer, Verbände, Tourismusbetrieben) abgestimmt? Wie kann hierbei ein durchgängiges, kongruentes Markenerlebnis erzeugt werden?

Hierbei handelt es sich um die größte Herausforderung. Einerseits muss man sich auf jene Stärken fokussieren, die sich durch das ganze Land ziehen und von den Gästen vor Ort genauso erlebt werden. Andererseits ist es wichtig, möglichst viele und starke Kooperationen mit den touristischen Partnern im Außenauftritt, im gemeinsamen Themensetting und bei den gemeinsamen Kampagnen einzugehen. In Österreich ist mit einer vierstelligen Zahl an Tourismus-Marketing-Organisationen zu rechnen, wenn man auf die Bundeslandebene geht: neun Bundesländer, neunzig Destinationen und darunter noch viele regionale Tourismusverbände. Wir nutzen dabei jeden Kontaktpunkt in der Branche, um die Marke zu transportieren und die Stärken der Marke gemeinsam zu kommunizieren.
Das Thema Content-Produktion und Verbreitung ist sehr aufwändig und komplex: welchen Ansatz und Strategie (Inhouse, Outsourcing) wählt die Österreich Werbung hierbei?

Wir sind in den letzten Jahren den Weg der Inhouse-Content-Produktion gegangen, da wir uns diese Qualifikationen und dieses Know-how ins Haus holen wollten. Bei Themen-Settings, Content-Verantwortung, Medienstrategie oder Ausspielung der Inhalte wickeln wir alle Marketing-Agentur-Aufgaben inhouse ab. Der einzige Bereich, in dem wir mit Partnern arbeiten, ist die Film- und Fotoproduktion, aber alles was davor und danach passiert, wird intern erledigt. Zudem haben wir in der Kommunikation mit dem Endverbraucher einen eigenen Urlaubsservice, der weltweit telefonisch, via E-Mail oder Chat erreichbar ist und eine persönliche Betreuung liefert. 
Der Digital-Anteil des Werbebudgets ist mittlerweile bei deutlich über 50 Prozent. Wir gehen davon aus, dass er in den nächsten Jahren weiter steigen wird.
Wie hoch ist der Anteil des Werbebudgets der Österreich Werbung in 2018, welcher in digitale Kanäle fließt?
 
Der Digital-Anteil ist mittlerweile bei deutlich über 50 Prozent und wir gehen davon aus, dass er in den nächsten Jahren weiter steigen wird. Teilweise sind die klassischen Kanäle immer noch sehr wichtig. Gerade bei Bewegtbild nutzen wir neben den digitalen Kanälen zudem die Werbung in den Kinos. Wir sehen, dass wir hier enorm viel Response kriegen und es ein relevantes Fokus-Medium ist, bei dem Menschen nicht dauernd abgelenkt sind. 
Kann man den Erfolg dieser Kino-Werbung messbar machen?

Auch in diesem Bereich kann man Befragungen machen. Teilweise ist es jedoch so, dass wir direkt Rückmeldung aus den Märkten bekommen und die Leute von sich aus auf die Werbung reagieren und erzählen, was sie gesehen haben. Zudem ist es mittlerweile möglich mit Geotargeting Menschen mit digitaler Werbung anzusprechen, die davor im Kino gesessen sind. Dadurch sieht man, wie Nutzer auf die digitale Werbung anders reagieren, weil sie bereits einen Kinospot gesehen haben. 
In welche Kanäle fließt das meiste Budget?
 
Das hängt von der Art der Kampagne ab. Wenn es eine stark imagelastige Kampagne ist, also eine aus der Marke heraus generierte Kampagne, arbeiten wir sehr viel mit Bewegtbild und daher auf den großen Social-Media-Kanälen wie Youtube, Facebook und Instagram. Zusätzlich kooperieren wir bei bestimmten Themen mit Fachmedien im online- und offline-Bereich. Der dritte Teil besteht aus programmatisch eingekauften Werbeplätzen auf verschiedenen Plattformen. Zusätzlich gibt es Kampagnen, die näher am touristischen Produkt und thematisch mit der Image-Kampagne gekoppelt sind. In diesem Bereich setzen wir vermehrt auf Performance-Marketing und Content-Produktionen. 
Virtual Reality wird aus unserer Sicht in der Inspirationsphase für Gäste eine wichtige Rolle spielen.
Blockchain, künstliche Intelligenz, Augmented Reality, Chatbots, Voice Search & Sprachassistenten, Live-Content und Marketing-Automatisierung dominieren die Themen der Digitalszene in 2018. Inwieweit beeinflussen diese neuen Technologien bereits die Markenführung und Kommunikation der Österreich Werbung? Welche besonderen Herausforderungen stehen hierbei an?
 
Eine Technologie, die wir bereits nutzen, ist das Sammeln und Lernen aus verhaltensbasierten Daten. Wir sehen uns an, welche Verhaltensprofile die Nutzer haben, die sich für die Inhalte auf unserer Internetseite interessieren und auf unsere Werbemittel reagieren. Wir ermitteln Lookalike Audiences, also User, die ähnliche Verhaltensprofile haben, und sprechen diese zielgerichtet mit passenden Inhalten an. 
Virtual Reality wird aus unserer Sicht in der Inspirationsphase für Gäste eine wichtige Rolle spielen, wir sind aber noch dabei, die Technologie zu testen. Zu Blockchain haben wir ebenfalls einen spannenden Pilottest abgeschlossen, bei dem wir Werbeplätze ohne Zwischenvermittler eingekauft haben. Diese Technologie ist noch nicht breitentauglich und es gibt derzeit wenige Vermarkter, die über Blockchain buchbar sind. 
Österreich ist bei den Urlaubsdestination unter den Top 15 Nationen weltweit. Wo steht die touristische Marke “Urlaub in Österreich” im Jahr 2030 im weltweiten Vergleich?

Die Tatsache, dass wir unter den Top 15 Nationen sind, macht die ganze Branche stolz. Wir spielen als relativ kleines Land in dieser Topliga mit, was allerdings sehr schwierig ist, da jede Woche eine neue Destination entsteht, die beginnt ins Tourismus-Marketing einzusteigen. Der Wettbewerb auf dem Kommunikationsmarkt ist also enorm und es ist mit beschränkten Mitteln und Budgets eigentlich nur möglich, sich über Markenstärke, Kontinuität und mit den richtigen Themen behaupten zu können. Diese Top 15 werden nach Ankünften und Nächtigungen gemessen. Wir haben pro Jahr ungefähr 150 Millionen Nächtigungen im Land und 45 Millionen Gäste, also ein vielfaches der österreichischen Bevölkerung.
Allerdings ist nicht prognostizierbar, wo wir in zehn bis zwölf Jahren stehen. Ich glaube, dass unser Land auch in Zukunft mit seinem Angebot grundsätzlich gut aufgestellt sein wird. Da die Welt schnelllebiger wird, wird Österreich ein Erholungs- und Enfaltungsort bleiben und ein Ort der Entschleunigung für die Gäste sein. Insofern mache ich mir inhaltlich keine Sorgen, allerdings ist der Wettbewerb auf dem Markt sehr groß. 
Gibt es eine Persönlichkeit aus Tourismus, Marketing oder Technologie, welche Sie schon immer einmal treffen wollten? Was wäre Ihre zentrale Frage an diese Person?

Da gibt es keinen speziellen Menschen. Natürlich bewundert man die Gründer der großen Plattformen, die es in kurzer Zeit geschafft haben eine marktdominierende Stellung einzunehmen. Zudem wäre es sicherlich spannend, mit jemandem wie Mark Zuckerberg zu sprechen und ihn zu fragen, was hinter den Kulissen alles geplant wird. Generell finde ich, dass jeder, der über den Dingen steht und eine Zukunftsvision hat, ein interessanter Gesprächspartner ist mit dem man sich gut abgleichen kann.