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Im Gespräch mit Philip Ibrahim, The Student Hotel Berlin - Teil 1

Online-Marketing 8 Minuten
Klare Regeln, aktive und aufmerksame Teams und eine klare Ansprache sind unser Schlüssel zur Transparenz im Umgang mit Covid-19. Der Bereich Digitalisierung kann hier eine große Hilfe sein gerade bei Anmelde-, Registrier-, Bestell- und Bezahlvorgängen.   
Philip Ibrahim ist seit Oktober 2019 General Manager von The Student Hotel Berlin (siehe dazu den Beitrag in der ADDITIVE-Rubrik "Innovative Hotelkonzepte"). Davor war er mehrere Jahre in verschiedenen Funktionen im Verkauf bei ACCOR  und Kempinski im Tschad. Seine Ausbildung durchlief er ebenfalls bei dem französischen Hotel Konzern Accor und war als letztes als Hoteldirektor im Mercure Hotel Berlin City. Ibrahim war in den vergangenen Jahren in verschiedene Projekte abseits des klassischen Hotel-Erlebnisses involviert. 2012 gründete er zusammen mit dem Berliner Stadtmarketing visitBerlin das Netzwerk pink pillow Collection Berlin. Die weltweit einzigartige Hotelkooperation richtet sich an Menschen der LGBTI*-Szene. Die Hotels werden von der gemeinsamen Idee angetrieben, dass alle Gäste willkommen sind. 
Was macht The Student Hotel so einzigartig und zur starken Marke?

Wenn man die Lobby in einem The Student Hotel betritt, dann merkt man gleich, dass etwas anders ist. Es ist eine design-getriebene Marke und der Name selbst sagt schon viel aus. Hier kommen nicht nur Studenten hin, sondern Leute, die genau diese Neugier mitbringen, die ein Student haben muss. Ich erinnere mich genau, als ich zum ersten Mal ein The Student Hotel betrat: In der Lobby in Amsterdam zwei ältere Damen, die an ihren Laptops eine Verkaufsseite für ihre Häkeldeckchen programmierten. Daneben war eine Studentengruppe, die etwas übte und Leute, die Tischtennis spielten. Genau die Verbindung von diesen unterschiedlichen Gästen ist das, was uns so einzigartig macht.

Aus Sicht der Marke glaube ich, dass wir in Deutschland einen langen Weg zu gehen haben. The Student Hotel ist hier noch nicht so bekannt. In Holland hingegen kennen die Studenten die Marke und suchen sich ihre Destination teilweise bewusst anhand der Eröffnungssituation von The Student Hotel aus. 
In einem Interview mit der AHGZ zur Hoteleröffnung im Oktober 2019 meinten Sie: “Die Verbindung aus Arbeit, Spaß und Design gibt uns eine einmalige Chance, etwas Besonderes zu schaffen und einen Ort zu gestalten, an dem Berliner und Besucher gleichermaßen zusammenkommen und sich inspirieren". Wurde das Hotel von den Berlinern wie erhofft aufgenommen bzw. wird es aktiv genutzt?

Der Plan geht wirklich gut auf. Wir haben hier tatsächlich Laufkundschaft aus der Nachbarschaft. Das erkennt man daran, dass die Besucher vom Altersdurchschnitt meistens deutlich älter sind. Es handelt sich um Leute, die gesehen haben, wie das Haus gebaut wurde und es jetzt von innen anschauen möchten. Es gibt die Unternehmen, die hier reinkommen und uns sehr cool finden. Das Start-Up-Ambiente mit Tischtennis und Tischfußball macht schon etwas aus. Genauso wie die einzelnen Einrichtungskomponenten, die Tagungsräume und der große Hof. Zudem gibt es viele Start-Ups, die mit uns zusammenarbeiten und neue Konzepte entwickeln.

Wir machen circa fünfundvierzig Veranstaltungen pro Monat für Studenten, für Nachbarn, für Hotelgäste, für alle. Wir organisieren eine Art-Night mit einem Berliner Anbieter und veranstalten Events im Innenhof. Ich würde gerne jeden ersten Samstag im Monat einen Markt mit Brandenburger Bauern organisieren, an dem die Studenten oder Nachbarn sich frische, lokale Produkte kaufen können. Für mich ist es wichtig, diese Verbindung aus Regionalität und Authentizität im Haus einzubringen, damit jeder hier seine Bühne findet und sich präsentieren darf.

Wir haben alle Events lange so digital wie möglich gehalten. Inzwischen – und dank dem großen Innenhof wagen wir uns auch wieder an live Events. Der Zusammenhalt unserer Community mit vielen verschiedenen kleinen Veranstaltungen ist unser Anliegen und hilft ein Gemeinschaftsgefühl zu kreieren. Aktuell sind wir sehr zufrieden und hoffen auf baldige Entspannung.
Die Wohlfühl-Atmosphäre ist in jedem der The Student Hotels gleich mit einer Lobby als zentralen und zugleich besonderen Aufenthaltsort.  
 
Unterscheidet sich der Standort Berlin von den anderen Hotels der Gruppe?

Ein Teil der Häuser bei The Student Hotel ist Neubau, der andere Teil Rebrand. Bei einem Rebrand hat man eine Geschichte, die man erzählen und ins Konzept einfließen lassen kann. Unser Haupthaus in Amsterdam ist ein altes Verlagsgebäude, hat daher große Tagungsflächen sowie eine Lobby und Zimmer im ersten Stock mit hohen Decken. Bei den Neubauten, wie in Eindhoven, wurde direkt am Bahnhof ein großer Turm errichtet, ein richtig ikonisches Gebäude. Für die Firma sind beide Möglichkeiten interessant und es wird immer ein Thema gesucht, um welches sich alles strickt.

Bei uns hier in Berlin ist das Thema “Together we can be Heroes”, angelehnt an den Songtext von David Bowie. Das Design, die Farben und der Retro-Look spiegeln dies wider, wir bezeichnen uns hier alle als Heroes und die Namen der Mahlzeiten wurden entsprechend gestaltet, wie beispielsweise das Heroe’s Lunch. Wir versuchen, das Thema in allen möglichen Bereichen anzuwenden.

Die Atmosphäre ist jedoch tatsächlich in jedem Hotel gleich. Es gibt immer dieses Ambiente, in dem man sich wohlfühlt sowie die Lobby als besonderen Aufenthaltsort. Man findet immer Leute, mit denen man Tischfußball oder Tischtennis spielen kann und man ist nie alleine. Zudem ist das Publikum sehr jung und hat keine Hemmungen, sich mit anderen einfach zu unterhalten. 
    
Worin liegt der konkrete Unterschied in der Führung eines Hotels einer “kleinen” Gruppe wie The Student Hotel zum großen Hotelkonzern, bei dem Sie bisher tätig waren?

Bei Accor durfte ich genau so sein, wie ich wollte. Ich habe mich meine ganze Karriere lang hochgearbeitet und das hat unglaublichen Spaß gemacht. Ich hatte damals keine Notwendigkeit, Job zu wechseln, sondern bin einfach durch eine Tür gegangen, die sich geöffnet hat. Alles, was ich bei Accor gemacht habe, war immer am Limit der Möglichkeiten. In einem so großen Unternehmen gibt es Pfade, die sind erprobt und man kann genau berechnen, wie groß der Erfolg ist. Deshalb kommt es darauf an, wie viele Millimeter man davon abweicht und trotzdem Erfolg hat.
Diese Ausmessung von Trial-and-Error durfte ich bei Accor machen und das habe ich wirklich gerne getan. Zum Beispiel im Mercure Hotel Berlin City, wo ich zuletzt war. Da haben wir viele zukunftsorientierte Ideen umgesetzt: die Open-Space-Lobby, passende Orte für Instagram-Momente, Aktionen mit Nachbarn mit Quiz-Night und Ähnlichem.

Im neuen Unternehmen ist alles was vorher ein Versuch war, ein Teil des Erfolges. Das heißt, wir müssen als Teil des Konzepts aktiv neue Veranstaltungskonzept ausprobieren und versuchen, um Erfolg zu haben. Der Unterschied liegt darin, dass viele Prozesse noch nicht so strukturiert sind und man sie dadurch mitgestalten kann.
Da wir der erste Neubau in Deutschland sind, gibt es zudem viele legale Themen oder Personalthemen, die hier anders funktionieren, als in den Niederlanden. Sich da einzuarbeiten kostet viel Zeit und es ist nicht so wie bei Accor, wo ich immer jemanden anrufen konnte, der mir weitergeholfen hat. Hier muss man sich vieles erst selbst aufbauen und darauf habe ich richtig Lust. Das ist ein riesiger Unterschied und man muss dafür sehr viel Willen mitbringen. 
Sie wurden vom SMACK Hospitality Podcast als der “coolest GM in town” betitelt. Wie haben Sie sich diesen Titel erarbeitet?

Das mit dem coolest GM in Berlin, das ist so ein Ding. Zum einen geht es um den Unterschied zwischen Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung. Ich habe mich selbst nie so betitelt und finde, dass es in dieser Stadt so viele coole DirektorInnen gibt. Es gibt auch viele coole KollegInnen, die mit ganz anderen Themen zu kämpfen haben als ich.

Was in meinem Fall für den einen die Coolness ausmacht, ist für viele andere wahrscheinlich zuviel. Ich spreche oft das aus, was ich gerade denke, und ecke manchmal vielleicht damit an. Allerdings hängt Coolness nicht nur von diesem Auftritt nach außen hin ab, sondern von dem, was Leute in ihren Unternehmen machen.
Egal ob in der Hotellerie oder in der Gastronomie, hier in Berlin gibt es Kolleginnen und Kollegen, die leisten sensationelle Arbeit. Außerdem ist das Netzwerk in Berlin sehr fair und kollegial. Man hilft sich gegenseitig und fängt sich auf. Das macht es mir persönlich leicht, ich selbst zu sein.
The Student Hotel in Berlin ist ein Haus, das neben der Zielgruppe der Studenten stark auf Geschäftsreisende zielt, die derzeit aufgrund der "COVID-19"-Pandemie nur eingeschränkt unterwegs sind. Versuchen Sie, neue Zielgruppen zu erschließen bzw. welche zukünftigen Geschäftsmodelle der Stadthotellerie werden Ihrer Meinung nach funktionieren?

Geschäftsreisen sind ein wichtiger Teil für Berlin als Destination. Viel mehr als der klassische Geschäftsreisende, sind Messe- und Veranstaltungsgäste für den Erfolg der Stadt essentiell. Der Bereich Lobbyarbeit und Beratung ist ein weiter Standbein, dass für die Destination Berlin unabdingbar ist. In der aktuellen Geschäftslage – und gerade mit der Aussage deutscher Firmen, dass Geschäftsreisen weiterhin so selten wie möglich geplant werden sollen, sehe ich nur wenig Möglichkeiten, diesen Bereich aktiv zu beleben. 

Allerdings gibt es interessante Ansätze der Nutzung der Zimmer als Büros und auch Co-Living kann ein großer Faktor werden. Daneben ist die regionale Verankerung und die Qualität für den Berlin Besucher, die einen großen Fokus auf „Erleben“ legen soll, das Wichtigste für uns.  
Klare Regeln, aktive und aufmerksame Teams und eine klare Ansprache sind unser Schlüssel zur Transparenz im Umgang mit Covid 19.
Worin liegen die Herausforderungen für Ihr Haus um für maximale Sicherheit der Gäste zu sorgen? Welche Rolle spielt hierbei Digitalisierung?

Zertifizierungen schaffen Sicherheit, daher haben wir uns auch mit dem Siegel des Bureau Veritas kontrollieren lassen und selbstverständlich bestanden. Klare Regeln, aktive und aufmerksame Teams und eine klare Ansprache sind unser Schlüssel zur Transparenz im Umgang mit Covid 19. Der Bereich Digitalisierung kann hier eine große Hilfe sein, ich denke nur an Anmelde-, Registrierung-, Bestell- und Bezahlvorgänge – hier sind wir heute deutlich besser aufgestellt als vor der Krise. Damit meine ich nicht nur uns als Haus, sondern auch – besonders im Bezahlwesen – uns Deutsche generell.
Im zweiten Teil des Gesprächs: die Themen Online-Marketing, Digitalisierung der Hotelbranche sowie Philip Ibrahims Standpunkt zu innovativen Hotelkonzepten weltweit.