ADDITIVE

+39 0473 538800 Industriezone 1/5 - Eurocenter . 39011 Lana Südtirol Italien info@additive.eu
. MwSt-Nr. IT02476330218

Im Gespräch mit Carsten Seubert, Hotel Adlon Kempinski Berlin - Teil 2

Online-Marketing 7 Minuten
Konzepte, die das neue Sicherheits- und Gesundheitsbewusstsein, Nachhaltigkeit und die beschriebene Exzellenz in Service und Erlebnissen miteinander vereinen können, werden nicht nur funktionieren sondern können als absolute Gewinner aus dieser Situation hervorgehen.   
Carsten Seubert ist seit 2017 Hotel Manager des renommieren Hotel Adlon Kempinski Berlin.  Im ersten Teil des Interviews gibt Seubert Einblicke in die Geschichte eines der bekanntesten und prestigeträchtigen Hotels weltweit. Weiters erzählt Seubert über seinen Werdegang, die Luxushotellerie-Gruppe Kempinski sowie über analogen versus digitalen Service  am Gast.
Im zweiten Teil erfährt man mehr über die Marketing- und PR-Arbeit des Hotels, relevante Auszeichnungen sowie über Sicherheits- und Hygienekonzept in Zeiten von COVID-19.  Die abschließenden Fragen geben Ausblick auf die Zukunft der (Luxus-)Hotellerie und zeigen die persönlichen Gedanken und Meinungen des vielgereisten Hotel Managers auf.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie im Bereich Marketing / Online-Marketing & Kommunikation?
Wir haben vier Mitarbeiter, die für Marketing und PR zuständig sind. Ansonsten arbeiten wir mit externen Dienstleistern zusammen, dabei greifen wir auf das Partnernetzwerk der Gruppe zurück. Im Grunde lässt es sich folgendermaßen unterscheiden: Die Werbung wie Search-Engine-Marketing, sowie generell die Online-Präsenz erfolgen über Kempinski, inhouse liegt unser Fokus auf der organischen Content-Produktion und -Publikation. Wir setzen auf redaktionelle Berichterstattung im Rahmen der PR und die Kreation von hochwertigem Content direkt im Haus, das heißt nahe am Mitarbeiter und am Gast. Klassische Werbung macht das Adlon kaum. Allerdings setzen wir auf Vertriebskanäle, bei denen der persönliche Kontakt im Vordergrund steht. Dazu zählen Verkaufsreisen, um Beziehungen zu verschiedenen Partnern in unterschiedlichen Zielmärkten zu pflegen. Auch Messen sind relevant, dabei treten wir wieder als Teil der Kempinski-Gruppe auf. (Anmerkung: dieser Teil des Gesprächs wurde Mitte März also am Beginn der COVID-19-Pandemie aufgezeichnet.) 
Neben ausgewählten Partnern setzen wir auf unsere Gäste als Multiplikatoren, denn der Vertriebskanal Word of Mouth spielt nach wie vor eine sehr große Rolle.  
Wissen Sie wie viele E-Mails von Influencern Sie täglich bekommen?
Vor kurzem habe ich die Statistik bekommen, dass uns allein im Rahmen der Berlinale 300 Anfragen von Influencern erreicht haben. Wir haben alle abgesagt. Wir arbeiten schon mit ausgewählten Partnern zusammen, die eine für uns relevante Zielgruppe bespielen. Ansonsten setzen wir auf unsere Gäste als Multiplikatoren, denn der Vertriebskanal Word of Mouth spielt nach wie vor eine sehr große Rolle. Dabei gehen wir nicht aktiv auf bekannte Persönlichkeiten unter unseren Gästen zu, denn eines unserer höchsten Gebote ist die Diskretion. Wir sind nicht das Hotel für die Stars und Sternchen, die ihre Fans wissen lassen wollen, wo sie beherbergt sind, sondern sind ganz im Gegenteil bei jenen Herrschaften beliebt, die zu schätzen wissen, dass nicht jeder ihre Unterkunft kennt. Indem wir es aber schaffen, unsere Gäste nachhaltig und immer wieder aufs Neue zu begeistern, gewinnen wir sie als treue Kunden, die das Adlon gerne weiterempfehlen oder uns auf Instagram taggen. Um das zu erreichen, hat die Servicequalität wieder höchste Priorität. 
Wir freuen uns natürlich über jede Auszeichnung, doch mir persönlich sind die ehrlichen Gästebewertungen wichtiger, da sie ein Gesamtbild der Fremdwahrnehmung das ganze Jahr über abgeben.   
Das Adlon Berlin erhält Jahr für Jahr viele bedeutende Auszeichnungen. Gibt es darunter eine Auszeichnung, welche Sie besonders stolz macht?
Wir freuen uns natürlich über jede Auszeichnung, doch mir persönlich sind die ehrlichen Gästebewertungen wichtiger, da sie ein Gesamtbild der Fremdwahrnehmung das ganze Jahr über abgeben. Mit dem Global Review Index, der sämtliche Kanäle weltweit analysiert und auswertet, werden die Bewertungen messbar und vergleichbar. Letztes Jahr erzielten wir 94,8 von 100 möglichen Punkten, damit belegen wir unter unseren Mitbewerbern in Berlin regelmäßig den ersten Platz. 
Kempinski hat weltweit das stringente Sicherheits- und Hygienekonzept “Kempinski White Glove Services” in allen Häusern umgesetzt. Worin unterscheidet sich das Konzept von anderen? Spielt Digitalisierung dabei eine Rolle?
Das “White Glove Service” Konzept wurde in Rekordzeit von Kempinski als Reaktion auf die Covid-19 Pandemie ins Leben gerufen. Darin liegt auch eine Besonderheit, denn Kempinski war eine der ersten Hotelgesellschaften, die so ein umfangreiches Konzept auf die Beine gestellt hat. Unsere Mitarbeiter und Gäste waren also von Anfang an sehr gut geschützt. Seitdem hat sich das Konzept stets weiterentwickelt und wurde regelmäßig, basierend auf neuen Erkenntnissen und Erfahrungen, aktualisiert. Hygienestandards im Gast- und Mitarbeiterbereich auf höchstem Niveau sind nicht nur in der heutigen Zeit der Schlüssel, um unseren geschätzten Gästen die Gewissheit zu geben, dass ein Aufenthalt in einem Kempinski-Hotel eine sichere Umgebung darstellt und zeitgleich ein Top-Service in allen Bereichen geboten wird. Digitalisierung spielt hier eine untergeordnete Rolle. 
Ich glaube fest daran, dass sich Qualität in jedem Fall durchsetzen wird, und da sind und bleiben wir ein Vorreiter in der Hotellerie.   
Die Stadthotellerie profitiert vielerorts von internationalen Reisenden und insbesondere an Messestandorten von Großveranstaltungen. Muss sich das Geschäftsmodell der Stadthotellerie verändern? Werden Sie selbst ebenso stark betroffen sein? 
   
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Hotellerie allgemein sind natürlich enorm. Kurzfristig verursacht die Situation einen enormen wirtschaftlichen Schaden und auch langfristig wird es eine nachhaltige Veränderung der Geschäftslage geben. So prognostiziert Oxford Economics, dass in der deutschen Hotellerie erst 2024 das Umsatzniveau von 2019 wieder erreicht wird. Von daher werden wir alle, auch die Stadthotels und das Hotel Adlon Kempinski, neue Geschäftsmodelle entwickeln, andere Märkte erschließen und ansprechen sowie uns generell auf diese neue Situation einstellen müssen. Generell sehe ich diese Krise aber als Chance, sich in gewissen Bereichen neu zu erfinden, kreativ zu werden und sich dadurch von der Masse abzuheben. Ich glaube fest daran, dass sich Qualität in jedem Fall durchsetzen wird, und da sind und bleiben wir ein Vorreiter in der Hotellerie. 
Wagen wir einen Ausblick auf die Zukunft - welche Modelle der Luxushotellerie werden Ihrer Meinung nach weiterhin funktionieren?
Hygiene- und Sicherheitsstandards werden auch nach der Corona-Pandemie eine übergeordnete Stellung einnehmen und wichtiger denn je werden. Hier kann die Digitalisierung eine Unterstützung sein. Sei es durch das Reduzieren von nicht notwendigen Kontakten, der Durchführung von Hybrid-Konferenzen oder in der Interaktion mit den Gästen. Auch Nachhaltigkeit und umweltbewusste Services werden ein absolutes Muss in der Hotellerie sein. Sei es bei verwendeten Materialien bei Bedarfsartikeln für Gäste, der Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten, z.B. im F&B Bereich oder im Bezug von Strom aus erneuerbaren Energien. Nichtsdestotrotz werden persönlicher Service, höchste Qualität und das Schaffen von unvergesslichen Erlebnissen zeitlos gefragt bleiben. Konzepte, die das neue Sicherheits- und Gesundheitsbewusstsein, Nachhaltigkeit und die beschriebene Exzellenz in Service und Erlebnissen miteinander vereinen können, werden nicht nur funktionieren sondern können als absolute Gewinner aus dieser Situation hervorgehen. 
Wenn wir über neue, herausragende Hotelkonzepte auf der Welt sprechen, welche Projekte fallen Ihnen dabei als erstes ein?
Es gibt einige, faszinierende Hotelkonzepte auf der Welt. In Amsterdam gibt es das Sweets Hotel. Dabei handelt es sich um ein Hotel, das in verschiedenen Gebäuden im ganzen Viertel aufgeteilt ist. Es hat zwar eine zentrale Anlaufstelle, doch die Hotelzimmer befinden sich in diversen, umfunktionierten Wohnungen. Somit verschwindet das klassische Verständnis eines Hotels: ein Gebäude, alles unter einem Dach. Dafür wird das lokale Flair aufgegriffen. In München hat mit dem BEYOND by Geisel ein Mini-Hotel direkt am Marienplatz eröffnet. Es gibt nur 19 Zimmer und einen Gastgeber, der rund um die Uhr vor Ort ist. Wie als würde man bei ihm zuhause wohnen, kann man jederzeit anrufen, wenn man etwas braucht. Das sind tolle Konzepte. Ob ich dort arbeiten könnte, wage ich nicht zu beurteilen. Irgendwann würde mir die Intensität eines so großen Hauses wie des Adlons fehlen. Natürlich zeichnen sich Boutiquehotels im Luxussegment durch den individuellen Service aus. Gleichzeitig profitiert das Adlon durchaus von der besonderen Atmosphäre der Lobby, in der immer etwas los ist, die Servicequalität dank der hohen Mitarbeiterzahl gewährleistet und das Hotelmanagement für die Gäste präsent ist. Es kommt immer auf die Zielgruppe an… 
Gibt es eine Persönlichkeit aus dem Tourismus (oder gerne aus einem anderen Bereich), welche Sie schon immer einmal treffen wollten? Warum und was wäre Ihre zentrale Frage an diesen Menschen?
Aus der Tourismusbranche fällt es mir auf Anhieb nicht leicht, jemanden rauszupicken. Allgemein gesprochen würde ich ein Gespräch mit Barack Obama wählen. Ich hatte das Glück, ihn schon mal kurz zu treffen, als er hier zu Gast war. Die Präsenz und Authentizität, die dieser Mensch ausstrahlt, hat mich sehr beeindruckt. Ich würde mich mit ihm gerne über die großen Themen dieser Welt wie Global Warming und den ewigen Wirtschaftskreislauf unterhalten, um zu erfahren, was er wirklich denkt. Nicht als Politiker, wo er eine bestimmte Message positionieren muss, sondern seine ehrliche Meinung und sein persönlicher Ansatz interessieren mich. Generell denke ich, dass diese Frage bei Politikern interessant wäre, weil da sicher oft eine große Diskrepanz zwischen inneren Überzeugungen und Statements im Sinne der Politik besteht.