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Im Gespräch mit Stefan Kern, APA-OTS

Online-Marketing 12 Minuten
Es geht letztendlich darum, Geschichten zu erzählen.
APA-OTS (Austria Presse Agentur - Originaltext-Service) ist Österreichs größter Verbreiter von multimedialen Presseinformationen via Text, Bild, Video und Audio. Stefan Kern ist Produktmanager für den Bereich OTS-Video und Verantwortlicher für die Media Relations. Seit 2014 berät er Unternehmen darüber, wie sie ihre Inhalte und Botschaften in Form von Videos erzählen können und wie Bewegtbildinhalte bei den Medien am besten Anklang finden. Kern hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie Politikwissenschaft in Wien studiert. Zehn Jahre war er als Journalist tätig, u.a. in der Videoredaktion der APA - Austria Presse Agentur, bei ServusTV und als Videoproducer in London.

Herr Kern, worin besteht Ihre Aufgabe bei der APA-OTS Originaltext-Service GmbH?
 
Die APA-OTS ist eine hundertprozentige Tochter der APA und der größte Verbreiter von Presseaussendungen in Österreich, daher der Name “Originaltext-Service”. Seit einigen Jahren wird nicht mehr ausschließlich der Originaltext und Bilder verbreitet, sondern zusätzlich Audio- und Videomaterial. Ich bin Produktmanager für den Bereich Video, durch meine Hände laufen die Auftragsproduktionen. Wenn ein Unternehmen sich dafür entscheidet, ein Video mit uns zu produzieren, landet der Auftrag bei mir. Ich arbeite anschließend sehr eng mit verschiedensten Produktionsteams zusammen, koordiniere den Auftrag und berate zum Thema Video. Zudem bin für die Videoverbreitung zuständig. Davor war ich vor allem im Bereich Video-Relations tätig, diese Aufgabe erledige ich noch teilweise in stetigem Kontakt mit vielen österreichischen Redaktionen.
Dürfen wir das so verstehen, dass APA-OTS auch selbst Videos produziert oder passiert das mit zusätzlichen Video-Teams?

Wir haben selbst keine Videoredaktion. Unser ursprüngliches Kerngeschäft ist das Verbreiten von Presseinformationen, mit der Zeit kam die Verbreitung von Videos dazu. Vor etwa vier Jahren begann die stärkere Fokussierung auf diesen Bereich; wir haben bald bemerkt, dass die Qualität der angelieferten Videos zu minderwertig war. Wenn die Inhalte nicht gut genug sind, kommt es aber zu keinen Übernahmen. Daher der Entschluss, auch die Video-Produktion und das Know-how anzubieten. Wir arbeiten dafür mit unterschiedlichen Produktionsteams zusammen.
Video-Content hat in der Online-Kommunikation und im Online-Marketing in den letzten Jahren einen extremen Aufschwung erfahren. Welches waren für Sie die wichtigsten Meilensteine in dieser Entwicklung?

Wir reden schon seit vielen Jahren über das “Jahr des Videos”, aber lange Zeit waren dies nur leere Worthülsen. Nichtsdestotrotz war 2017 ein Umdenken in der Unternehmenskommunikation zu spüren. Das Thema Video ist nun stärker ins Bewusstsein unserer Partner und Kunden getreten. Trotzdem sind wir immer noch nicht da, wo ich gerne wäre. Heute sind 360°-Videos, Virtual Reality und Drohnenvideos im Trend. Eigentlich müsste man zuerst einen Schritt zurückgehen, denn in Österreich wird der Großteil der Presseaussendungen immer noch ohne Video- oder Multimedia-Inhalte produziert. Die Videokommunikation ist also noch nicht ganz angekommen.
Zu den großen Entwicklungen zählt einerseits, dass die Videoproduktion billiger geworden ist. Man kann heutzutage auf einfache Weise gute Videos machen. Auch das Thema Live-Videos ist stark im Kommen: am Nutzerverhalten sieht man, dass die Interaktion bei Live-Videos wesentlich höher ist als bei normalen Videos. Wie wir wissen, gilt in der Medienbranche das Motto “immer aktueller, immer schneller”, seitens der Nutzer ebenso wie von Seiten der Unternehmen und Medien. Man will die Inhalte zeitnah auf dem Smartphone haben, das funktioniert eben perfekt mit Live-Video. 
Inwieweit hat der Siegeszug des Smartphones bzw. die gewandelte Medienlandschaft zum Thema Video beigetragen? Waren dies Ereignisse, bei denen sich APA eine Intensivierung der Thematik überlegt hat?

Ja und nein, es fließt alles ineinander, man merkt die Veränderung im Nutzungsverhalten. Es ist eine Tatsache, dass Video-Content vermehrt konsumiert wird, insbesondere am Smartphone. Die Inhalte sollten daher kürzer und visueller sein. Das sind Entwicklungen, bei denen eine Anpassung unumgänglich ist. Verpasst man diese, läuft man Gefahr, dass eine Information oder eine Message nicht ankommt. Dementsprechend müssen wir als Dienstleister stets darauf achten, was wir unseren Kunden anbieten können. 
Das Wichtigste bei einer Videoproduktion: man muss ein Ziel und eine Strategie haben.

In unserem Tagesgeschäft bekommen wir oft die Rückmeldung von Kunden, dass die Produktion von Videos sehr aufwändig und komplex ist.

Das Wichtigste ist, ein Ziel und eine Strategie zu haben, das wird oft vergessen. Viele Unternehmen stürzen sich in die Videoproduktion, weil ein Video modern ist oder um Mediencoverage für bestimmte Themen zu bekommen. Das funktioniert jedoch nicht, denn ohne Geschichte nützt auch ein Video nichts. Man muss sich zuerst überlegen: “Welche Geschichte möchte ich erzählen? Über welche Kanäle soll sie transportiert werden? Welches ist die geeignete Zielgruppe?”
Ich bin selbstredend ein starker Verfechter der Verbreitung in den Medien: es ist effektiv, man muss sich nicht selbst eine Zielgruppe aufbauen, die Sichtbarkeit auf Google ist hoch und man hat eine höhere Glaubwürdigkeit. Das sind alles wichtige Vorteile, trotzdem ist es natürlich nicht immer der richtige Weg. Wenn die zu verbreitenden Inhalte beispielsweise keinen News-Wert haben oder wenn man jüngere Zielgruppen ansprechen will, ist es sinnvoll den Content über Social-Media-Kanäle und Influencer zu verbreiten. 
Welche Stolpersteine gilt es bei der Videoproduktion zu umgehen?

Stolpersteine gibt es konkret zwei: Das eine ist, dass man sich als Unternehmen etwas zurücknehmen und das Werbliche aus dem Videoinhalt herausnehmen und die Geschichte in den Vordergrund stellen sollte. Mein Credo dazu: “Story first”. Die Konsumenten suchen genau das, sei es in den Social-Media-Kanälen als auch in den Medien. Man will nicht mit Werbung zugepflastert werden, sondern als mündiger Konsument selbst urteilen, was gut oder schlecht ist. Dabei sollte aber klar ersichtlich sein, wer man ist und wo man zu finden ist.
Ein weiteres Hindernis liegt darin, die Geschichte nicht zu erkennen. Das ist essenziell in der Medienbranche, gilt aber genauso für die Unternehmenskommunikation. Vor allem im Tourismus sollte ich mir als Unternehmen überlegen, was mich einzigartig und besonders macht. Viele Leute erkennen nicht sofort, was eine Geschichte ist und was sie ausmacht. Dabei helfe ich. Zum Beispiel beginne ich mit der Recherche um zu sehen welche Schlagzeilen, Geschichten und Trends in der Vergangenheit rund um das Thema gut funktioniert haben. Das hat sehr viel mit Storytelling zu tun, was für mich gleichbedeutend ist mit journalistischer Arbeit. Ob man es “Storytelling” nennt oder “redaktionell gestalteter Beitrag” ist egal, weil es letztendlich darum geht, Geschichten zu erzählen.
Hier möchte ich den Bogen zum Thema Viralität schlagen. Im Prinzip kann der APA- OTS-Ansatz “mach etwas, das spannend ist” auch auf Social Media übertragen werden...

Genau, vom Blickwinkel des Geschichtenerzählens aus sehe ich zwischen einem Social-Media-Video und einem Video für die Medien keinen großen Unterschied. Für journalistischen Content gilt genauso wie für Social Media, dass die ersten Sekunden entscheidend sind und die stärksten Bilder und Zitate als Einstieg dienen. Beim Thema Viralität bin ich sehr kritisch, da ich finde, dass hier die Definition ausschlaggebend ist. Meiner Meinung nach gibt es in der Unternehmenskommunikation kaum Content, der ohne Marketing- und Werbebudget viral wurde. Es gibt immer wieder Unternehmen, die große und sehr gut produzierte Kampagnen haben mit dem Ziel, Viralität zu bewirken, wo aber sehr stark Budget investiert werden musste. Meiner Ansicht nach lässt sich Viralität nicht planen.
Mein Tipp: analysieren, welche Inhalte besser funktionieren, warum diese besser funktionieren, wen man ansprechen will und auf welchen Kanälen es vermehrt Interaktion und mehr Mediencoverage gibt.
  
Welche Formen der Content-Produktion und -Distribution können Sie im touristischen Umfeld z.B. Hotelbetrieben, Tourismusverbänden oder Tourismusregionen empfehlen, welche langfristig in Video-Content und Video-PR investieren möchten?

Zuallererst muss geklärt werden, was mit dem Video erreicht werden soll. Gäste-Statements sind beispielsweise eine super Sache, kurze Videos dazu kann man recht kostengünstig produzieren: Man lässt authentische Gäste erzählen, was ihnen am Urlaub gefällt und stellt das Video auf die eigene Internetseite. Ich habe übrigens vor kurzem eine Studie gelesen, die besagt, dass beim Buchungsverhalten immer mehr Augenmerk auf Videos gelegt wird und dass Internetseiten ohne Videos als geringwertig und nicht modern wahrgenommen werden.
Zudem spielen folgende Fragen eine Rolle: Welchen Kanal betreue ich am intensivsten? Wo habe ich die größte Community? Wo möchte ich am meisten Werbebudget ausgeben?
Möchte man hingegen Inhalte zu den Medien transportieren, sind redaktionell gestaltete Beiträge bzw. Storytelling ideal. Im Grunde genommen, gibt es keine Regel, was richtig oder falsch ist. Man muss sich trauen und dahinter stehen - ich merke oft, dass die Hemmschwelle wegen der Investitionskosten hoch ist. Es genügt nicht, ein Video zu produzieren und zu hoffen, dass daraus von alleine Geldsegen, Buchungen oder Viralität resultieren.
Die Garantie, dass ein Video “abhebt”, hat man nicht, unabhängig von der Distribution. Mein Tipp: analysieren, welche Inhalte besser funktionieren, warum diese besser funktionieren, wen man ansprechen will und auf welchen Kanälen es vermehrt Interaktion und mehr Mediencoverage gibt. 
Was sind mittel- bis langfristig die großen Vorteile, wenn man mit Videos arbeitet?

Das Seh- und Konsumverhalten verändert sich stark, der Mensch wird stets audiovisueller. Der Videokonsum manifestiert sich kontinuierlich bis in höhere Altersgruppen, genau diesen Markt gilt es zu bedienen. Eine Presseaussendung ohne multimedialen Inhalte interessiert Journalisten heutzutage weniger. Man weiß zudem, dass Google den Inhalt ohne Video weniger werten wird und dass das Kaufverhalten in die Höhe schnellt, sobald ein Video mit im Spiel ist. Gerade im Tourismus, wenn es um Urlaubsdestinationen geht, will man wissen wo man hinfährt und wie es dort aussieht.
Nach welchen KPIs (Key Performance Indicators) werden Video-Contents bzw. Distributionskanäle gemessen und bewertet?

Bei einer OTS-Videoverbreitung ist ein KPI die Medienübernahme: In wie vielen Medien wurde über den Inhalt berichtet. Es gibt eine Studie von unserem deutschen Partner, die besagt, dass eine Presseaussendung um 300% eher verwendet wird, wenn ein Video dabei ist. Unserer Einschätzung nach dürfte es in Österreich ähnlich sein. Ein touristisches Beispiel aus meinem Alltag: Es gab vor kurzem eine Geschichte, die von einem Konkurrenzunternehmen drei Tage vorher verbreitet wurde. Das ist problematisch, denn die Wahrscheinlichkeit, dass nochmals darüber berichtet wird, ist sehr gering. Es ist uns gemeinsam mit dem Kunden gelungen mit derselben Story, aber mit einer Kombination aus spezieller Grafik, super Fotos und einem Video mehr als doppelt so viele Übernahmen zu haben. Dies zeigt exemplarisch den Mehrwert von Videos.
Wenn anschließend die Frage nach der Anzahl der Views gestellt wird, kann ich das nicht definieren, denn Medien geben ihre Abspielzahlen nicht weiter, das heißt wir können nur theoretische Reichweiten messen. Das, was zählt, sind die medialen Übernahmen. 
Was sind auf Videoplattformen wie Facebook und Youtube wichtige KPIs? Wie sind die Erfolge hier messbar?

Es kommt darauf an, wie wertvoll ein einzelner Klick oder View wirklich ist. Bei potenziellen Reichweiten sind beispielsweise auch Facebook-User dabei, die nur über das Video scrollen. Zudem kann man sich sehr leicht Likes kaufen, diese haben keinen Wert. Ein gutes Messkriterium sind die Interaktionen, denn daran erkennt man, dass sich die Leute mit der Materie beschäftigen. Wir haben ebenso den Einfluss von Influencern bemerkt, zum Beispiel wenn sie bei einer Podiumsdiskussion selbst mitdiskutieren oder Inhalte teilen. Im Endeffekt muss jedes Unternehmen seine eigenen KPIs und Ziele definieren. 
Um das Maximum aus einem Video herauszuholen finde ich alle drei Distributionsformen sprich mediale Verbreitung, eigene Kanäle sowie Social-Media-Kanäle, ideal. Allerdings gilt es abzuschätzen, ob das Video auf jeden Kanal passt, oder ob es Adaptionen benötigt.

Ziel von OTS-Video ist es also, mithilfe von PR-Maßnahmen und mit gutem Content mediale Berichterstattung zu bekommen. Man bringt Inhalte in das Medium, die nicht Werbung sondern Teil des Mediums sind.

Vollkommen richtig, die Inhalte sind PR-Videos, haben zwar eine Quellenangabe, sind aber nicht gekennzeichnet und haben auch keine fixe Platzierung. Ich als Unternehmen vertraue einfach darauf, dass meine Geschichte so gut ist, dass der Journalist darüber berichten will. Das erzeugt Glaubwürdigkeit, da jemand anderes über mich berichtet. Zudem geschieht dies direkt in einer Zielgruppe, zum Beispiel im Tourismus-Channel, wo sich genau die Leute befinden, die sich für Tourismus interessieren. So erreiche ich eine sehr große Community, die ich mir nicht selbst aufbauen muss.
Ich finde die Kombination aus allen drei Distributionsformen sprich mediale Verbreitung, eigene Kanäle wie Internetseite und Newsletter sowie über Social-Media-Kanäle, ideal; man muss das Maximum aus einem Video herausholen. Allerdings gilt es abzuschätzen, ob das Video auf jeden Kanal passt, oder ob es Adaptionen benötigt. 
An welche touristischen Marktteilnehmer denken Sie, wenn sie an außerordentliche Video-Contents und Video-PR denken? Was machen diese Marktteilnehmer besser als alle anderen?

Mir fallen die großen Verbände und Destinationen wie die Österreich Werbung, Wien Tourismus, die Tirol Werbung oder Ischgl ein. Natürlich spielt bei guten Video-Konzepten das Budget eine Rolle. Originell fand ich zum Beispiel das Werbe-Video von Wien Tourismus, bei dem zwei Adler mit Kameras durch die Stadt flogen und man die Stadt aus der Vogelperspektive beobachten konnte: das fand ich innovativ mit einer gewissen Viralität. 
Wie lautet das Rezept, damit Video-Content “viral geht” und sehr hohe organische Reichweiten erreicht?

Starke Emotionalität oder Humor können Viralität erzeugen, wobei Humor schwieriger zu erzeugen ist als Emotion. Denn Humor, der falsch verstanden wird, kann schnell negative Auswirkungen haben. Allerdings: wenn die Emotionen nicht ehrlich transportiert werden, passiert im Prinzip genau dasselbe.
Im medialen Bereich sind es ganz klassische Nachrichtenwerte: größer, schneller, besser. Beispielsweise im Bereich Tourismus: “Hier finden Sie den höchsten Aussichtsturm oder die längste Hängebrücke”. Dementsprechend funktioniert Content mit Weltneuheiten oder -premieren richtig gut. 
Zu den Dienstleistungen von OTS-Video: Ein Verband, Verein oder größerer Tourismusbetrieb möchte mit Video-PR starten, dann erhält er von Ihnen Unterstützung in der Video-Produktion, -Verbreitung und bei der Erarbeitung der richtigen Strategie?

Ja, allerdings sind wir keine klassische Agentur. Ich berate, unterstütze und gebe Inputs - und das sehr oft mit einem redaktionellen Zugang. Unsere Produktionsteams entwerfen das Storyboard, erarbeiten gemeinsam mit dem Kunden das Gesamtwerk und empfehlen dann den Zeitpunkt für die Verbreitung.
Gibt es eine Persönlichkeit aus Tourismus, Marketing oder Technologie, welche Sie schon immer einmal treffen wollten? Warum und was wäre Ihre zentrale Frage an diese Person?

Als Journalist habe ich sehr viele Personen interviewt und kennengelernt. Irgendwann wird es zur Normalität, den “Wow-Effekt” gibt es nicht mehr. Man erkennt, dass schlussendlich alle nur Menschen wie du und ich sind, das zieht sich durch alle Branchen.
Ich hab kurz überlegt, ob ich Mark Zuckerberg gerne kennenlernen würde: Wahrscheinlich wären jedoch irgendwelche Masterminds im Hintergrund des Unternehmens interessanter als der CEO selbst.