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Im Gespräch mit Deniel Frey, H-Hotels, Europa

Interview 9 Minuten
“Unser System ist so konfiguriert, dass Gäste bei uns niemals auf eine Situation stoßen, in der die OTA-Preise niedriger sind als die Preise auf unserer eigenen Webseite.”
Die renommierte H-Hotels-Gruppe verfügt über mehr als 60 Hotels in ganz Europa und beeindruckt mit einer breiten Palette an Übernachtungsmöglichkeiten. Von preisgünstigen Budgethotels bis hin zu luxuriösen Unterkünften bietet die H-Hotels-Gruppe ihren Gästen eine vielfältige Auswahl an erstklassigen Übernachtungsmöglichkeiten, um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. In seiner Funktion als Vice President Revenue Management trägt Deniel Frey maßgeblich dazu bei, dass die H-Hotels Gruppe ihre Position als eine der führenden Hotelgruppen in Europa weiter ausbauen kann.
Revenue Management ist Ihr Thema. Gerade in der Ferienhotellerie ist der Bereich aber noch nicht zu 100 Prozent angekommen, oder wenn, dann sehr rudimentär. Welches sind Ihre konkreten Aufgaben bei den H-Hotels? Welche Ausbildung haben Sie für diese wichtige Aufgabe durchlaufen?

Ich bin seit 15 Jahren im Revenue Management tätig und habe in dieser Zeit für verschiedene Hotelgruppen gearbeitet. Seit fast fünf Jahren bin ich nun VP-Revenue Management bei den H-Hotels, wo ich neben dem Revenue Management auch für die Distribution , E-Commerce, den Gruppenverkauf, die Reservierung und den Bereich Business Intelligence mitverantwortlich bin. All diese Abteilungen sind bei den H-Hotels unter dem Dach Revenue vereint, da sie uns helfen, Umsatz zu generieren. Ich habe in Innsbruck Tourismusmanagement studiert und bin dort seit zwölf Jahren als Dozent tätig, um den Studierenden den Bereich des Revenue Managements näherzubringen. Nach meinem Praktikum bei Hyatt im Bereich Marketing und Revenue Management bin ich aufgrund meiner Zahlenaffinität und analytischen Veranlagung in diese Rolle hineingewachsen. So habe ich meine Leidenschaft für das Revenue Management in der Hotellerie entdeckt.
 
Wo liegt der Kern im Revenue Management? Wie sieht für Sie die Best-Practice im Revenue Management für Hotels aus?

In den letzten 15 Jahren hat sich das Revenue Management stark verändert. Als ich angefangen habe, war es noch nicht so weit entwickelt und automatisiert wie heute. Wir haben damals ganz klassisch mit Excel-Tabellen gearbeitet. Damals war alles noch sehr manuell und rudimentär im Vergleich zu heute. Mittlerweile gibt es spezielle Tools und Managementsysteme, die uns bei der Arbeit unterstützen und operative Aufgaben automatisieren. Ein Revenue Manager hat einen 360-Grad-Blick auf das Marktgeschehen und kann frühzeitig nachfrageschwache Perioden und fehlende Gästesegmente im jeweiligen Zeitraum erkennen. Dadurch können wir entscheiden, wann wir Deals freischalten oder die Raten erhöhen – das ist Revenue Management heute.
Welche Daten und Informationsquellen hat ein Revenue Manager täglich im Blick?

Ein Revenue Manager sollte im Idealfall täglich die nächsten zwei bis drei Monate und wöchentlich auch sechs bis zwölf Monate im Voraus analysieren. Dabei geht es nicht nur um die Auslastung der Zimmer, sondern auch um die Auslastung der Bankett-Kapazitäten. Wir bei H-Hotels vertreten die Philosophie des Total Revenue Managements, zu dem auch der Bankettbereich gehört. Bei Veranstaltungen wie Messen kann es vorkommen, dass die Zimmerpreise sehr hoch sind und deshalb bestimmte Tagungsräume leer stehen. Als Revenue Manager ist es daher wichtig, dies rechtzeitig zu erkennen und dem Gruppen-Verkaufsteam mitzuteilen, damit diese Kapazitäten gefüllt werden.
Events sind für die Stadthotellerie besonders wichtig, insbesondere Messen und Kongresse, da sie für uns als “Cashcows” gelten. Es ist daher von großer Bedeutung, die Auslastung, den Preis und die Konkurrenz im Auge zu behalten, um den richtigen Preis zu setzen. Manchmal ist es auch eine Art Spielerei, bei der man die Nerven behalten muss, um später von einer höheren Nachfrage profitieren zu können. Auch Wetterdaten sind vor allem in der Ferienhotellerie von Bedeutung, allerdings eher auf kurzfristiger Basis. Es ist wichtig zu berücksichtigen, was in den nächsten 14 Tagen oder drei Wochen passieren wird und wie präzise die Daten sind.
Revenue Management kennt man in erster Linie in Verbindung mit OTAs. Welche Relevanz hat Revenue Management bei den H-Hotels auf unterschiedlichen Vertriebskanälen und im Speziellen auf der eigenen Hotel-Internetseite?

Selbst die beste Preispolitik hat, nützt einem nichts, wenn die nötige Distribution fehlt und keine Gäste buchen. Zu der Distribution gehören natürlich auch Online-Travel-Agencies (OTAs), wie Booking.com oder Expedia. Diese sind für uns sowohl in der Stadthotellerie als auch in der Ferienhotellerie unglaublich wichtig. 
Nur auf einer OTA vertreten zu sein, ist nicht gleichbedeutend mit Revenue Management, sondern lediglich Distribution.
Neben den OTAs ist uns natürlich auch der Eigenvertrieb über die eigene Webseite ein großes Anliegen. Ein weiterer wichtiger Vertriebskanal für uns ist der Gruppenbereich, sei es für MICE-Gruppen (Meetings, Incentives, Congresses und Events), oder für Gruppen, die zu einer bestimmten Messe oder für Businessmeetings zu uns kommen. All diese Vertriebs- und Distributionskanäle sind von großer Bedeutung für uns.
Das Thema Direktbuchungen ist gerade in aller Munde. Hotels stehen vor der Herausforderung, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie sie ihre Preise auf unterschiedlichen Kanälen gestalten müssen. Was sind die Überlegungen der H-Hotels bezüglich der Preisgestaltung auf ihrer eigenen Internetseite, vor allem im Vergleich zu OTAs?
Unser System ist so konfiguriert, dass Gäste bei uns niemals auf eine Situation stoßen, in der die OTA-Preise niedriger sind als die Preise auf unserer eigenen Webseite. 
Zum einen haben wir ein Bonusprogramm für unsere Gäste namens HotMiles, ähnlich dem HiltonHonor oder anderen. Dadurch werden Gäste dazu ermutigt, sich bei uns anzumelden und erhalten durch die Mitgliedschaft automatisch einen besseren Preis. Das Gleiche gilt auch für Nichtmitglieder. Wir vergleichen mit unserem Revenue Management System den Preis auf unserer Webseite mit dem Preis auf Booking.com und stellen sicher, dass der Preis auf Booking.com höher ist.
Nehmen wir als Beispiel eine internationale Messe, wie die K-Messe in Düsseldorf. Internationale Gäste kennen möglicherweise unsere Webseite nicht und suchen auf einer ihnen bekannten Plattform wie Booking.com nach einer Unterkunft. Booking.com ist für Gäste oft einfacher zu nutzen, auch können sie alle Hotels in der Umgebung auf einen Blick sehen und vergleichen. Unser Revenue Management System erkennt, wenn ein Zeitraum von vielen OTA-Buchungen geprägt ist. Es erhöht dann automatisch den Preis auf den OTAs, während der Preis auf unserer Webseite stabil bleibt. Wenn jemand den Preis auf Booking.com und auf unserer Webseite vergleicht, wird er immer einen günstigeren Preis auf unserer Webseite finden und direkt bei uns buchen – dadurch sparen wir die Kommissionskosten ein. Wenn jemand den höheren Preis auf der OTA-Plattform bezahlt, wird unsere Kommission etwas reduziert. Es kommt letztendlich darauf an, den Gast und seine Gewohnheiten zu verstehen. Hierbei muss man berücksichtigen, ob es sich beispielsweise um einen internationalen Touristen handelt, der einmalig durch Europa reist, oder um einen Gast mit Potential für eine Wiederkehr.
Wenn man das jetzt so zusammenfasst, kann Revenue Management den Anteil an Direktbuchungen sehr wohl beeinflussen?
Gutes Revenue Management kann, soll und muss die Direktbuchungen beeinflussen.
Revenue Management gibt dem E-Commerce-Team dabei Impulse und Vorschläge, wie beispielsweise eine Direktkampagne für ein bestimmtes Hotel, das in einem bestimmten Zeitraum noch Kapazitäten hat. Außerdem kann es vorschlagen, mehr Budget in Google Kampagnen für dieses spezielle Hotel zu investieren. Wenn es Probleme in einem bestimmten Hotel gibt, kann das Revenue Management-Team dem E-Commerce-Team empfehlen, dieses Hotel stärker zu bewerben, um die Auslastung zu verbessern. Das Revenue Management-Team arbeitet eng mit dem E-Commerce-Team zusammen, um die Verkaufszahlen zu steigern.
Welche Maßnahmen finden bei den H-Hotels aktuell Anwendung, um Direktbuchungen gezielt zu steigern?

Ein spezifisches Beispiel ist der Black Friday. In den letzten Jahren haben wir klassischerweise nur Rabatte auf unserer Webseite angeboten (30%, 40%, 50%). Diese Rabatte waren immer höher als auf den OTAs, dort waren es etwa 20%. Dieses Jahr haben wir beschlossen, nur noch eine Direktkampagne auf unserer Webseite zu schalten. Dabei wurden unseren Gästen 25€ von Warenkorb abgezogen, wenn sie einen Mindestbestellwert von 250 € erreicht haben. Um das Buchungsverhalten der Gäste besser nachvollziehen zu können, haben wir entsprechend spezielle Codes zur Nachverfolgung hinterlegt.
Eine Sache, die wir sehr häufig machen, ist E-Mail-Marketing an unsere HotMiles-Mitglieder, also unsere Kunden, die uns ihr Einverständnis zur Kontaktaufnahme gegeben haben. Dabei bieten wir spezielle Angebote an, die nur auf unserer Webseite buchbar sind, wie beispielsweise kostenlose Upgrades vom Frühstück bis hin zum Abendessen. Dabei sind wir sehr kreativ, um diese Kanäle gekonnt zu nutzen und Direktbuchungen zu generieren.
Inwiefern können Marketing-Automatisierung und spezielle Softwarelösungen den Anteil an Direktbuchungen steigern? Sind bereits konkrete Pläne zur Implementierung von Marketing-Automatisierung bei den H-Hotels vorhanden?

Wenn man das Automatisierungs-Level bewerten müsste, dann würde ich sagen, dass wir im klassischen Revenue Management bei etwa 90 % liegen. Das bedeutet, dass unser System vollautomatisiert Preise ändert und Updates direkt an alle relevanten Kanäle übermittelt. Buchungen über OTAs laufen vollautomatisiert ein, ohne manuelle Prozesse. Wir ändern unsere Preise dreimal am Tag automatisch. Es gibt auch Häuser in unserem System, die sich konstant updaten und Preise anheben, sobald eine Buchung eingeht. Ein Mitarbeiter könnte das alles gar nicht manuell bewältigen.
Im Marketingbereich haben wir noch Potential unser Automatisierungs-Level zu steigern. Wir durchleuchten zurzeit unsere IT-Struktur und arbeiten laufend daran, diese zu verbessern. Einen Großanteil unserer IT-Struktur wird das CRM in Kombination mit Sales Force spielen. Natürlich brauchen wir zusätzliche Anwendungen, für reibungslose Abläufe. Ein Teil dieser Anwendungen ist bereits gebaut, ein Teil muss noch gebaut werden und da sind wir gerade dabei.
Gerne würden wir noch Ihre Meinung zu einem, bei Hoteliers, weitverbreiteten Mythos hören: “Dynamische Preise sind in der Ferienhotellerie schwierig einzuführen, um langjährige Stammgäste nicht zu verlieren.”
Ich denke, dass der Mythos, dass Stammgäste dynamisches Pricing nicht akzeptieren, nicht wirklich begründet ist. 
Zum einen müssen auch Stammgäste anreisen und es ist unwahrscheinlich, dass Fluggesellschaften oder andere Dienstleister wissen, wer ihre Stammkunden sind. Höhere Preise für Flüge oder Treibstoffe wie Diesel und Benzin werden von den Kunden in der Regel problemlos akzeptiert. Warum sollte es in der Hotellerie anders sein? Ein wichtiges Instrument im Revenue Management ist die Segmentierung. Stammgästen kann ein Preis mit einem gewissen Inflationsausgleich angeboten werden. Gleichzeitig ist die Fortführung der Online-Distribution mit dynamischen Preisen möglich. Gäste, die das Hotel nicht kennen, bezahlen den aktuellen Preis, während Stammgäste ihr “Goodie” erhalten. Der Mythos, dass sich Gäste bei den Preisen der Zimmer absprechen, ist ebenfalls fragwürdig. Aber es ist oft einfacher, sich auf Mythen zu stützen, anstatt dynamische Preise zu implementieren und auszuprobieren.
Gibt es eine Persönlichkeit aus dem Tourismus (oder gerne aus einem anderen Bereich), welche Sie schon immer einmal treffen wollten? Warum und was wäre Ihre zentrale Frage an diese Person?

Es gibt eine Persönlichkeit, ich habe in einer Art und Weise schon für diese Person gearbeitet, aber ich hatte leider nie einen direkten Berührungspunkt. Die Rede ist von Herrn Sternlicht, dem CEO der Starwood Capital Group, einem Immobilien Hedge-Fond. Das Unternehmen kauft Assets von Hotels, “low hanging fruits”, wie man so schön sagt. Diese werden anschließend renoviert und rentabel gemacht, 5–10 Jahre später werden die Häuser dann abgestoßen. Ich habe vier Jahre in England für diese Firma gearbeitet und dabei geholfen, das Revenue Management aufzubauen. Herr Sternlicht hat erkannt, wie viel Potential noch in der Hotellerie liegt, indem man digitalisiert, Revenue Management Systeme einbringt und gleichzeitig das ganze “Old School Denken” eliminiert. Meine zentrale Frage an ihn: Was ihn dazu getrieben hat, dieses Unternehmen aufzubauen und so erfolgreich zu betreiben.