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Im Gespräch mit Alexander Wessels, SABA Hospitality

Marketing-Automatisierung 9 Minuten
Die größten Potentiale der Digitalisierung in der Hotellerie liegen in der Gästekommunikation und in der Mitarbeitermotivation.
Alexander Wessels ist einer der Initiatoren des 2018 in China gegründeten Unternehmens SABA Hospitality mit Büros in Macau und Australien, welches Technologielösungen im Bereich Gästekommunikation und-service (Chatbots) und Mitarbeitermotivation für die internationale Hotellerie entwickelt. Der studierte Hotelmanager begleitete in den letzten zehn Jahren Hotel-Neueröffnungen für große Ketten wie Starwood Hotels & Resorts sowie Marriott International im asiatischen Raum.
Herr Wessels, gerne erfahren wir zuerst von Ihrem Background und Ihren Erfahrungen in der internationalen Hotellerie.

Nach mehreren Praktika in Hotels habe ich nach dem Abitur Hospitality Management in Deutschland und den USA studiert. Dank eines Praktikums in Taiwan konnte ich in Asien Fuß fassen und war in verschiedenen Managerpositionen für die Neueröffnung großer 5-Sterne-Luxus-Hotels verantwortlich wie zuletzt dem W Hotel - The Bund in Shanghai, dem The St. Regis in Macao oder dem Sheraton Grand Macao Hotel, dem weltgrößten Marriott-Hotel mit 4.000 Zimmern. 
Nach diesen Engagements in renommierten Hotelbetrieben im asiatischen Raum: Was hat Sie persönlich bewegt ein Unternehmen zu gründen bzw. Software für die Tourismusbranche zu entwickeln?

Während dieser Zeit als Hotelmanager haben die drei anderen Gründer und ich viele Problematiken in der Gästekommunikation und bei Hotelabläufen wahrgenommen. 2017 haben wir beschlossen, dies konkret zu ändern. Die ursprüngliche Idee basiert nicht ausschließlich auf der Entwicklung von Chatbots sondern auf dem Ziel, wie das Hotelerlebnis für den Gast verbessert und zugleich für die Hotelmitarbeiter erleichtert werden kann. Ich bezeichne uns selbst gerne als “Hotel-Operations-Company mit Passion for IT”. Wir machen Hoteltechnik von Hoteliers für Hoteliers und verstehen den Prozess bis zum letzten Bit. Unsere Inhalte sind wirklich auf Hotels, generell das Gastgewerbe und Casinos zugeschnitten. 
Welche Technologielösungen hat SABA HOSPITALITY bisher entwickelt?

Die erste Lösung, die auch bereits auf dem Markt erhältlich ist, ist ein Hotel-Chatbot. Er kümmert sich um das Erlebnis des Gastes vor und während des Aufenthaltes. Die meisten auf dem Markt erhältlichen Bots im Bereich Hotellerie limitieren sich meist auf die Buchung. Der Chatbot fragt nach den Details zum gewünschten Aufenthalt und gibt dementsprechend eine Empfehlung. Bei uns hingegen stellt der Gast die Frage und erhält die Antwort: angefangen beim Extra-Handtuch bis hin zu Beschwerden, Fragen nach dem Weg zum Spa oder die Personalisierung des Weckdienstes. Wir versuchen jede Frage, die ein Gast möglicherweise in einem Hotel hat, zu automatisieren. Damit wird das Hotelpersonal entlastet. 
Der potentielle Gast sucht die Anonymität, daher ist Chatting so erfolgreich.
Verarbeitet der Chatbot nur textliche Fragen oder ebenso sprachliche?

Textlich, da dies die derzeit gefragteste Kommunikationsform beim Gast ist. Er möchte lieber anonym bleiben und nicht anrufen müssen. Natürlich kann die Frage mit der Voice-Funktion am Telefon sprachlich eingegeben werden. Dies wird vor allem vom chinesischen Gast gerne genutzt, da die chinesischen Schriftzeichen sehr komplex sind. Wir bieten im Prinzip ein Chatmodul wie eben Messenger oder Whatsapp. 
Hier stellt sich sofort die Frage: Ist eine Anbindung an Google’s Alexa angedacht?

Absolut, wir gehen sogar noch einen Schritt weiter. Wenn Sie Alexa heute fragen “Alexa, ich hätte gerne ein Handtuch!” sagt Alexa: “OK, ich geb dir ein Handtuch.” Alexa gibt die Frage nur wieder und stellt keine weiteren Fragen zum gewünschten Handtuch, zum Beispiel ob ein großes Badehandtuch, ein kleines Gesichtshandtuch, etc. gewünscht ist. Dasselbe bei der Frage nach dem Kopfkissen. Wir bieten die Möglichkeit, das vom Hotel bereitgestellt Kopfkissen-Menü anzubieten oder eben die Handtuch-Auswahl. 
Ihre Chatbot-Lösung ist somit personalisierbar?

Unsere Lösung ist 100% personalisierbar. Wir bieten auch eine skalierbare Version mit vorgeschriebenen Sätzen wie “Frühstück ist von 8:00 Uhr bis 10:00 Uhr” und das Hotel ändert nur die einzelnen Bausätze wie zum Beispiel die Uhrzeit ab. Bei Hotels, bei denen Branding und Brand-Language eine Rolle spielen, muss dies natürlich personalisierbar sein. Ein weiterer Vorteil ist das Angebot in sechs Sprachen: englisch, deutsch, simplified Chinese (chinesische Kurzzeichen), Traditional Chinese, Japanisch und Koreanisch. 100 weitere Sprachen sind dank Google Translator möglich oder wir erarbeiten, falls gewünscht, gemeinsam mit dem Hotel eine Lösung für eine spezielle Sprachanbindung. 
Ist diese Chatbot-Lösung demnach für größere Hotelketten angedacht?

Wir unterstützen jegliche Art von Betrieben in unterschiedlichen Weisen, große Ketten aber ebenso kleine airbnb-Betriebe. Seit März 2019 besteht die Partnerschaft mit BookingSuite, wir sind im App-Store als Lösungsanbieter vertreten. Größeren Hotels liegt vor allem daran, die Anzahl der tagtäglichen Anfragen zu reduzieren. Bei kleineren Hotels ist der Personalmangel das Problem, bei dem wir Abhilfe schaffen. Unser Produkt basiert preislich an der Zimmeranzahl und ist somit für Hotels jeglicher Größenordnung implementierbar. 
In welchen speziellen Bereichen sehen Sie das größte Potential in der Digitalisierung von Hotelbetrieben/Hotelgruppen? Ist die von Ihnen gewählte Kommunikation zwischen Hotel und Gästen nur der Anfang?

Wir sehen zwei Potentiale: einerseits die Gästekommunikation, um den Gast überall erreichen zu können, wo er erreicht werden will, nämlich auf seinem eigenen Telefon. Wichtig hier ist Technologie anzubieten, die für den Gast passt und nicht nur fürs Hotel. Der Gast möchte sein eigenes Device benutzen und nicht jenes vom Hotel.
Das andere Potential hat die Mitarbeitermotivation zur Thematik: wir möchten durch Gamification eintönige Arbeitsprozesse ansprechender gestalten. Der Spieltrieb wird bereits in anderen Branchen zur Motivation genutzt (beispielsweise die Nike-Running-App), in der Hotelbranche ist er jedoch neu. Wir möchten dies grundlegend ändern. 
Gibt es weitere Digitalisierungs-Ideen mit Potential für andere Hotelbereiche?

In einem Hotelbetrieb machen Mitarbeiter jeden Tag Gäste mit kleinen Aufmerksamkeiten glücklich, man denke an ein Zimmer-Upgrade, einen Kuchen zu einem besonderen Anlass, etc.. Diese werden vom Hotelier oder Manager nicht wahrgenommen. Wir arbeiten daran, diese positiven Dinge nachverfolgen zu können, damit der Hotelier darüber Bescheid weiß und seinen Mitarbeiter wiederum durch Belohnung motiviert. Auch hier spielt Gamification wiederum eine Rolle, aber vor allem das Tracking. 
Die Idee von SABA Hospitality basiert auf Guest- und Staff-Engagement.
Zusammenfassend sehen Sie das Digitalisierungs-Potential extern somit im Kundenbeziehungsmanagement und in der Kundenzufriedenheit, intern in der Mitarbeitermotivation. 

Wir sagen im Englischen es geht um “Guest-Engagement” und “Staff-Engagement”. Das Wort “engagement” gibt es im Deutschen so nicht, aber genau das Zusammenführen des “Miteinanders” seitens Gästen und Mitarbeitern, das möchte SABA kreieren. 
Welche Rolle spielt bei Ihrem Chatbot Künstliche Intelligenz (KI)?

Unsere Lösung basiert auf Natural Learning Processes (NLP) und KI. Der Chatbot versteht den Unterschied von der Anfrage nach einem Glas Rotwein oder einem Rotweinglas, dafür ist KI unerlässlich. Wir nutzen bestehende Plattformen wie Google Services, der Inhalt bzw. die Programmierung liegt allerdings bei uns. 
Chatbots wurden bereits vor drei Jahren als neuer Trend ausgewiesen, mittlerweile scheint der Hype eher bei Voice Assistance zu liegen. Wie ist Ihre Haltung dazu? 

Gerade in der Hotelbranche ist man momentan etwas skeptisch gegenüber der Technologie vor allem wegen der Abhörproblematik. Zudem sind Hotels nicht bereit, in jedes Zimmer teure Anlagen zu stecken, die eventuell in zwei Jahren bereits überholt sind.
Voice Assistance wird sich in Teilen durchsetzen, auch wir bieten die Technologie an, aber sie ist zurzeit nicht so ausgereift, wie sie sein sollte. 
Worin liegen Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen im Bereich Chatbots und KI für Hotellerie? 
Die Hotelbranche ist generell sehr vorsichtig, das liegt an den vielen Entscheidungsmachern speziell bei den Hotelketten. Man wartet ab bevor man auf neue Trends aufspringt, man geht keine Risiken ein, vor allem weil man einen zufriedenen, beschwerdefreien Gast möchte. Eine weitere Herausforderung birgt die Technologie selbst: Chatbots sind noch nicht ausgereift. In der Zukunft werden Chatbots wirklich gesprächsfähig sein und einen echten Konversationsfluss erzeugen, der trotz plötzlicher Themenwechsel erhalten bleibt. 
Wird KI die Welt übernehmen? Nein, aber sie wird uns weiter helfen, Prozesse zu verbessern, in Hotels besser und schneller zu arbeiten sowie die Gäste mehr bei Laune zu halten.
Wie empfinden Sie die Entwicklung der Thematik KI beziehungsweise wie gut funktioniert diese für Ihre Anwendung?

Für unsere Anwendung funktioniert sie recht gut. Ich finde, wenn man KI hört, denkt jeder sofort an komplizierte Rocket-Science. Im Endeffekt ist es simpel: irgendein Prozess wird von einem Computer behandelt und abgefragt und das alles im conversational flow. Es gibt hier einen großen Hype, der eigentlich gar nicht so groß sein sollte. Unsere moderne Technologiewelt entwickelt sich weiter und KI ist ein Teil davon. Wird KI irgendwann die Welt übernehmen? Nein, aber sie wird uns vermehrt helfen, Prozesse zu verbessern, in Hotels besser und schneller zu arbeiten und so Gäste bei Laune zu halten. Zum Beispiel unser Chatbot in sechs Sprachen: kein Mensch muss unbedingt sechs Sprachen sprechen, warum also die Hilfe nicht einfach benutzen und dem Hotel-Mitarbeiter so die Chance geben durch Technologie den Gast glücklich zu machen? 

Wie unterscheiden sich China und Europa in puncto Digitalisierung in der Hotellerie und generell in der Tourismusbranche? War dies ein Grund für die Unternehmensgründung in Asien?

Der chinesische Alltag unterscheidet sich radikal vom europäischen. Ich lebe mittlerweile seit 12 Jahre in Asien. Zum Beispiel das Thema bargeldloses Bezahlen: in den letzten beiden Jahren in Shanghai hatte ich keinen einzigen Cent Bargeld dabei, nirgendwo. Egal ob ich an der Straßenecke eine Portion Nudel um 0,50 Cent kaufe oder in einem renommierten Restaurant für 150€ speise, man braucht heutzutage nirgends Bargeld. Oder im Bereich Sharing-Economy: ich fuhr jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit, allerdings nicht mit meinem eigenen. Ich öffnete und zahlte dank Smartphone eines der vielen Räder in der Stadt, alles ist einfacher zugänglich. Asiaten sind generell mehr ans Smartphone gebunden, dies hat natürlich auch negative Seiten, weil die Face-to-Face-Kommunikation verschwindet. Die Akzeptanz von Technologie ist in Asien höher, die Menschen probieren gern Neues aus.
Die Chinesen sind weltweit die Travel-Leader mit 240 Milliarden Dollar an Overseas-Travel im Jahr 2018, gefolgt von den USA mit 150 Milliarden und Deutschland mit 87 Milliarden. Wenn man sich auf solche Märkte nicht einstellt, dann hinkt man irgendwann hinterher. 

Gibt es eine Persönlichkeit aus Tourismus, Marketing oder Technologie, welche Sie schon immer einmal treffen wollten? Warum und was wäre Ihre zentrale Frage an diese Person? 

Ich möchte dies nicht auf eine bestimmte Person reduzieren, viel eher würde ich generell erfolgreiche Geschichten von Gründern aus dem Technologiebereich hören. Mit welchen Schwierigkeiten waren die heute erfolgreichen Unternehmen wie Pinterest oder Instagram anfänglich konfrontiert? Allgemeine Ratschläge zu erhalten, wie man auch nach dem 50. Mal Hinfallen nochmals aufsteht und dann erfolgreich ist, das fände ich spannend.